Von den schlimmen Taten der schlechten Menschen und dem furchtbaren Schweigen der guten.
Martin-Luther-King-Tag in Hamburg 2024.
Seit 2012 feiern die Hamburger Baptistengemeinden diesen Tag in der Kapelle des Ökumenischen Forums HafenCity. Er ist Feiertag bei den Amerikanern und wird immer am ersten Montag nach seinem Geburtstag (15. Januar) begangen.
Etwa 50 Besucher kamen, aus Baptistengemeinden, aus anderen Kirchen, aus der Hausgemeinschaft des Ökumenischen Forums, das von 21 Hamburger Kirchen gemeinsam getragen wird. Das Forum will ein Ort der Gegenwart Gottes in einem neu entstehenden Stadtteil sein, der zur Andacht und zum Gespräch einlädt.
Anna Rubbert von der katholischen Kirche, die seit kurzem die Leitung des Ökumenischen Forums innehat, fragte in ihrer Begrüßung, was wohl MLKing heute sage würde?
Carsten Hokema, Leiter des Verbandes der Hamburger Baptistengemeinden, stellte den Abend unter das Jesus-Wort „Selig sind, die Frieden stiften!“.
Stefan Stiegler, Pastor i.R., begleitete instrumental das gemeinsame Singen.
Den Hauptteil des Abends prägte Tilman Schreiber, Leiter der ev.-freikirchlichen Beratungsstelle,
mit dem Vortrag „Die Friedensethik von Martin Luther King“. Statt eines gelehrten Vortrags zeichnete er dessen Leben nach bis zur umstrittenen Stellungnahme zum damaligen Vietnamkrieg. Das war gut so und führte zum Höhepunkt des Abends.
Er erinnerte an Kings berühmten Brief aus dem Gefängnis in Birmingham 1963:
„Unsere Generation wird eines Tages nicht nur die ätzenden Worte und schlimmen Taten der schlechten Menschen zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der guten.“
Martin Luther King
Seine Stellungnahme zum Vietnamkrieg habe bisher wenig Aufmerksam unter uns gefunden, stellte Tilman Schreiber fest. Das sei ein blinder Fleck für uns. Es sei leicht sich aus dem Politischen herauszuhalten, zugunsten der Evangelisation. Mit dem furchtbaren Schweigen der Guten, meinte King die Kirchen, aber auch sein eigenes Schweigen. Ihm war bewusst, seine Stellung zu Vietnam könnte missverstanden und er als Kommunist diffamiert werden. Auch seine guten Beziehungen zu Präsident Johnson wollte er nicht gefährden. Seine Frau Coretta stellte sich schon früher gegen den Vietnamkrieg.
In einem Vortrag in der Riverside Church in Washington am 4. April 1967 nahm er zum ersten Mal öffentlich Stellung. Die Zeit sei gekommen, sein Schweigen zu brechen. Der Vietnamkrieg habe nichts erreicht, darum forderte King das Ende der Bombardierung Nordvietnams. Die Reaktionen in seiner eigenen Bewegung waren negativ, ebenso die der großen Zeitungen (New York Times, Washington Post). Zur Begründung führte King aus: In den Krieg flössen mehr Ressourcen als für die Armen. Gerade die untere Schicht der Armen, die Schwarzen, trügen die Hauptlast des Krieges. Aber zuhause seien sie nicht als Gleichberechtigte anerkannt. Gewalt werde als Problemlösung benutzt, doch damit werde die Seele Amerikas vergiftet. Der Friedenspreis von Oslo bedeute für ihn, sich für die Bruderschaft aller Menschen einzusetzen, besonders für die Feinde. Die Feindesliebe, den Feind verstehen, sei ein Schlüssel zum Frieden in der Welt. Die USA sollten den Krieg beenden und den Vietkong als Verhandlungspartner akzeptieren. Tatsächlich stellte Präsident Johnson die Bombardierung 1968 ein, aber der Krieg sollte noch sieben Jahre dauern. Am Ende gab es 1,3 bis 3 Millionen Kriegstote und ca. 58.000 Opfer der USA.
Tilman Schreiber stellte Fragen an den Schluss und zog vorsichtig einige Konsequenzen: Ist die Mitte der Gesellschaft verstummt, angesichts der Kriege in der Ukraine und in Gaza, angesichts antidemokratischer Tendenzen bei uns? Ist die Sprache der Gewalt so laut, dass die Sprache der Liebe lächerlich erscheint? Die Kirchen sollten die Stimme der Feindesliebe erheben. Die Ohren öffnen für das Leid, die Schreie der Opfer, auch für die Feinde. Sprachfähig werden für die Sprache der Liebe. Die Fürbitte sollte einen festen Platz im Gottesdienst haben und möglichst konkret werden.
Nach seinem Vortrag folgte Betroffenheit und Schweigen.
Bedenkenswertes und Hilfreiches kam in der nachfolgenden Diskussion zur Sprache. Wie sieht es mit der Feindesliebe aus? Was hilft allen, auch dem Feind weiter? Wieviel Opferbereitschaft bringen wir mit? Es gibt Zeit zum Reden und Zeit zum Schweigen. Das Gebot der Feindesliebe umsetzen, erstmal in unseren Gemeinden. In kleinen Kreisen ins Gespräch kommen über unsere Wut, unseren Schmerz, und darüber, was Hass und Gewalt in uns selber anrichten. Nicht konform gehen mit den Stimmungen der Zeit, sondern mit der Botschaft Jesu, mit unserem Glauben.
Drei Mitwirkende brachten unsere Fürbitten vor Gott begleitet vom gesungen „Kyrie-eleison“.
Als ein neues Element des M-L-King-Tages trugen einige Teilnehmer vorbereitete Karten mit dem Friedensgebet in die Nachbarschaft.
Nach dem Segen wurden alle eingeladen zum Imbiss bei vielen persönlichen Begegnungen.
Der MLKing-Tag 2024 war beeindruckend und herausfordernd und wird noch lange nachwirken.